Dr. Martin Schirmbacher ist Fachanwalt für IT-Recht bei HÄRTING Rechtsanwälte und berät seit Jahren viele Unternehmen in Rechtsfragen zum E‑Commerce.
Im mitp-Verlag ist sein an Nichtjuristen gerichtetes Buch „Online Marketing und Recht“ erschienen und unter @mschirmbacher twittert und kommentiert er aktuelle Urteile und juristische Entwicklungen im Online-Marketing.
Für das EmailMarketingBlog hat Dr. Schirmbacher Fragen zur aktuellen Rechtslage im E‑Mail Marketing beantwortet.
Herr Dr. Schirmbacher, das letzte Interview zur Rechtslage im E‑Mail Marketing habe ich 2012 mit Ihnen geführt – in der Online-Branche ist das eine kleine Ewigkeit. Welche entscheidenden Entwicklungen gab es in dieser Zeit mit Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen?
Martin Schirmbacher: Einfacher ist es jedenfalls nicht geworden für das E‑Mail-Marketing. Noch im Jahr 2012 gab es ja das ebenso berühmte wie weltfremde Urteil des Oberlandesgerichts München. Das OLG hatte damals angenommen, dass die Bestätigungs-E-Mail im Double-Opt-In-Verfahren als Werbung zu klassifizieren ist und somit einer Einwilligung bedarf. Das Urteil führte zu großer Unsicherheit in den Unternehmen, änderte aber letztlich nichts an der grundsätzlichen Zulässigkeit des Double-Opt-In-Verfahren.
Neben diesem Urteil gab es weitere Gerichtsentscheidungen, die für Aufsehen gesorgt haben. So entschied der BGH, dass Tell-a-Friend-Funktionen weitgehend unzulässig sind. Eine ähnliche Entscheidung erging Anfang dieses Jahres zu Facebooks Freunde-Finder. Immer wieder geht es in der Beratung darum, solche Urteile richtig zu lesen und zu interpretieren, um Wege aufzuzeigen, wie man Marketing-Maßnahmen rechtlich zulässig ausgestalten kann.
Der Trend, sich einzelne Marketing-Tools anzusehen, zeigt sich auch in den Entscheidungen zur Werbung in Transaktionsmails. Für Aufsehen sorgt hier eine BGH-Entscheidung aus dem Dezember letzten Jahres, wonach Werbung in Transaktionsmails jedenfalls dann unzulässig ist, wenn der Nutzer bekundet hat, solche Werbung nicht erhalten zu wollen. Zwar hat der BGH Werbung in Transaktionsemails nicht generell verboten. Die Anforderungen sind aber hoch und Werbewidersprüche müssen beachtet werden.
Und jenseits solcher aus Sicht der Werbewirtschaft eher unerfreulicher Urteile?
Martin Schirmbacher: Ein klarer Trend ist ein Fokus auf das Datenschutzrecht. Weil E‑Mail-Adressen fast immer Personenbezug haben, ist jede Information, die zu dieser E‑Mail-Adresse gespeichert wird, auch personenbezogen. Das heißt jede noch so bescheidene Maßnahme der Marketing Automation muss sich immer auch am Datenschutzrecht messen lassen. Im Ergebnis läuft das häufig darauf hinaus, den Empfänger vorab um Einwilligung zu bitten. Dies betrifft zum Beispiel auch die Lifecycle-E-Mails die derzeit stark im Kommen sind. Jeder Trigger, der zum Versand einer neuen E‑Mail führt, ist tendenziell ein personenbezogenes Datum. Im Bereich des Datenschutzes wird sich jedenfalls in der nächsten Zeit noch sehr viel tun, nicht zuletzt weil die Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union kommen und für Veränderungen sorgen wird.
Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Fehler, die im Rahmen der E‑Mail-Adressgewinnung gemacht werden? Worauf sollten Unternehmen, etwa bei der Gestaltung der Newsletter-Anmeldeformulare, achten?
Martin Schirmbacher: Der einzig wirklich rechtssichere Weg neue E‑Mail-Adressen zu generieren und zu verifizieren ist und bleibt das Double-Opt-In-Verfahren. Erstaunlich viele Werbetreibende verzichten darauf noch immer. Doch auch beim Double-Opt-in selbst werden Fehler gemacht. So wird zum Teil in Bestätigungs-E-Mail Werbung integriert. Auch fehlt oft der Link auf die Datenschutzerklärung, in der transparent über die Erhebung und Verwendung der Daten aufgeklärt wird. Zudem gilt im BDSG der Grundsatz der Datensparsamkeit. Von daher sollten im Formular für den Newsletter auch tatsächlich nur die E‑Mail-Adresse zur Pflichtangabe gemacht werden.
Anfang 2015 sorgte eine Entscheidung des Amtsgerichts Berlin Pankow/Weißensee für Unruhe in der E‑Mail Marketing Branche. Schlagzeilen wie „Double-Opt-In Verfahren vor dem Aus?“ machten die Runde. Wie so oft hat sich die Aufregung relativ schnell gelegt. Hat die Entscheidung des Amtsgerichts Auswirkungen auf die Praxis, etwa auf die Gestaltung des Double Opt-In Vorgangs?
Martin Schirmbacher: Nein, das Urteil des AG Berlin Pankow/Weißensee hat keine Auswirkungen auf das Double-Opt-In-Verfahren. Es handelte sich beim dem Urteil auch gar nicht um eine Entscheidungen über Double-Opt-In. Vielmehr ging es in der Entscheidung um eine Bestätigungsmail von einem Kundenkonto ohne Double-Opt-In. Das haben wir im Übrigen immer wieder. Gerade wurde erst wieder über ein Urteil des Landgerichts Hamburg zur Empfehlungsfunktion bei eBay überall mit erhobenem Zeigefinger besprochen. Es bringt nichts, sich von jedem Urteil eines Untergerichts gleich verrückt machen zu lassen.
In der Praxis wird häufig die Dokumentation der Opt-Ins vernachlässigt. Welche Daten müssen gespeichert werden, um im Zweifel beweisen zu können, das eine Werbeeinwilligung erteilt wurde?
Martin Schirmbacher: Im Double-Opt-In-Verfahren muss nachgewiesen werden, dass tatsächlich der Inhaber der E‑Mail-Adresse seine Einwilligung in die E‑Mail-Werbung gegeben hat. Insofern muss die Einwilligungserklärung und die an den Empfänger versandte Mail ausdruckfähig gespeichert werden und auch dokumentiert werden können, wann die Eintragung erfolgte, wann die E‑Mail versandt wurde und wann der Klick auf den Bestätigungslink erfolgte. Ich empfehle auch, zur Dokumentation die jeweiligen IP-Adressen zu speichern. Die Rechtfertigung dafür ergibt sich letztlich aus der Entscheidung des OLG München, über die wir ganz am Anfang gesprochen haben. Nur so kann ich als Versender zeigen, warum ich die Bestätigungs-E-Mail überhaupt versandt habe. Wer nicht diesen kompletten Datensatz zu jedem Opt-In speichert kann Schwierigkeiten bei der Beweisführung bekommen.
Die Kundenansprache mittels Messaging-Apps wie beispielsweise WhatsApp wird in der Branche intensiv diskutiert. Welche juristischen Anforderungen sind hierbei zu berücksichtigen?
Martin Schirmbacher: Für WhatsApp, Snapchat und andere Apps mit Direktnachricht-Funktion gelten die gleichen Regeln wie für E‑Mail. Alles, bei dem der Empfänger eine Art Inbox hat, gilt als elektronische Post, die nur versandt werden darf, wenn der Empfänger eingewilligt hat.
Hinzu kommt, dass WhatsApp (wie viele andere Social Media Dienste) von einem U.S.-amerikanischen Unternehmen angeboten wird. Nutzt ein deutsches Unternehmen WhatsApp ist denkbar, dass es für die Datenverarbeitung durch WhatsApp mitverantwortlich ist. Gerade erst hat das Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob Betreiber von Facebook-Fanpages datenschutzrechtlich verantwortlich sind, an den Europäischen Gerichtshof verwiesen. Man muss im Auge haben, wie Gerichte das in Zukunft beurteilen werden.
Herr Dr. Schirmbacher, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen!
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