Rechtliche Rahmenbedingungen im E‑Mail Marketing: Interview mit Dr. Martin Schirmbacher

Dr. Martin Schirmbacher ist Fachanwalt für IT-Recht bei HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin und berät seit Jahren viele Unternehmen in Rechtsfragen zum E‑Commerce. Im mitp-Verlag ist sein an Nichtjuristen gerich­te­tes Buch „Online Marketing und Recht“ erschie­nen.

Für das EmailMarketingBlog habe ich Herrn Dr. Schirmbacher einige Fragen zur aktu­el­len Rechtslage im E‑Mail Marketing gestellt.

Herr Dr. Schirmbacher, am 31. August 2012 ist die Übergangsfrist der Bundesdatenschutznovelle aus­ge­lau­fen, was bei vie­len Marketing-Verantwortlichen zu einer erheb­li­chen Verunsicherung geführt hat. Führt die Novellierung auch zu neuen recht­li­chen Rahmenbedingungen für das E‑Mail-Marketing?

Martin Schirmbacher: Nein. Die Novelle des BDSG hat nur die Änderung von § 28 BDSG zur Folge, was aber haupt­säch­lich Auswirkungen auf die Offline-Werbung hat. Im Übrigen sind die Regelungen bereits seit 2009 in Kraft. Jetzt ist ledig­lich eine Übergangsfrist ausgelaufen.

Für das E‑Mail-Marketing ändert sich im Großen und Ganzen nichts. Generell ist der Online-Handel durch die Novelle ledig­lich im Rahmen der pos­ta­li­schen Ansprache von Kunden (und sol­chen, die es wer­den sol­len) betrof­fen. Die E‑Mail-Marketing-Branche muss des­halb nicht in Aktionismus ver­fal­len. Es gel­ten die glei­chen (sehr stren­gen) Regeln wie vorher.

Welche recht­li­chen Aspekte sind bei der Gestaltung eines Newsletter-Anmeldeformulars zu berücksichtigen?

Martin Schirmbacher: Eine Newsletter-Anmeldung setzt eine aus­drück­li­che Erklärung (Opt-In) des Empfängers vor­aus. Das heißt ein Ankreuz-Kästchen darf grund­sätz­lich nicht bereits vor­se­lek­tiert sein. Daneben ist der Datenschutz zu beach­ten. Pflichtdatum darf im Regelfall nur die E‑Mail-Adresse sein. Alle ande­ren Daten (Anrede, Name usw.) soll­ten frei­wil­lige Eingaben sein. Außerdem sollte eine ver­linkte Datenschutzerklärung erläu­tern, wie mit den erho­be­nen Daten umge­gan­gen wird.

Im E‑Mail-Marketing wird häu­fig das Verhalten der Empfänger (geöff­nete Mails, ange­klickte Links) aus­ge­wer­tet, um die Folgemailings rele­van­ter zu gestal­ten. Ist diese Form der Auswertung über­haupt zuläs­sig oder muss hier­für ein wei­te­res, expli­zi­tes Einverständnis ein­ge­holt werden?

Martin Schirmbacher: Die Evaluation von E‑Mails ist für das Folgemarketing natür­lich lukra­tiv. Öffnungs- und Klickraten sind wich­tige Kennwerte für die Auswertung von E‑Mail-Marketing. Rechtlich han­delt es sich um per­so­nen­be­zo­gene Daten, wenn eine Zuordnung zu einer kon­kre­ten E‑Mail-Adresse mög­lich ist. Das ist eigent­lich immer der Fall, weil spä­tes­tens bei dem Versand der wer­ben­den E‑Mail eine Zusammenführung der Informationen erfolgt. Insofern ist zu emp­feh­len, eine zusätz­li­che Einwilligung ein­zu­ho­len bzw. den Einwilligungstext anzupassen.

Unter wel­chen Voraussetzungen dür­fen Bestandskunden per E‑Mail ange­schrie­ben wer­den? Unterscheidet der Gesetzgeber dabei zwi­schen der Ansprache von Privat- und Geschäftskunden (B2C / B2B E‑Mail Marketing)?

Martin Schirmbacher: Nein, der deut­sche Gesetzgeber bezieht neben dem B2C auch den B2B- Bereich mit ein. Bestandskunden kön­nen gem. § 7 Abs. 3 UWG nur unter den fol­gen­den vier Voraussetzungen, die kumu­la­tiv vor­lie­gen müs­sen), per E‑Mail ange­schrie­ben werden:

1. Der Kunde hat bereits Waren oder Dienstleistungen erwor­ben und in die­sem Zusammenhang seine E‑Mail-Adresse mitgeteilt.
2. Die Werbung bezieht sich auf ähn­li­che Produkte aus dem eige­nen Unternehmen (keine Fremdwerbung).
3. Der Kunde hat der Verwendung sei­ner Daten (noch) nicht widersprochen.
4. Bei Erhebung der E‑Mail-Adresse und jeder wei­te­ren Verwendung (also bei jeder ein­zel­nen E‑Mail-Werbung) wird deut­lich auf die kos­ten­lose Widerrufsmöglichkeit hingewiesen.

Viele Unternehmen gewin­nen E‑Mail-Adressen mit Gewinnspielen. Worauf sollte dabei unter recht­li­chen Gesichtspunkten geach­tet wer­den (Stichwort “Kopplungsverbot”)?

Martin Schirmbacher: Wettbewerbsrechtlich ist es unzu­läs­sig, die Teilnahme an einem Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhän­gig zu machen (außer das Gewinnspiel ist natur­ge­mäß mit dem Produkt ver­bun­den). Dieses Kopplungsverbot gilt nur gegen­über Verbrauchern. Bei der Werbung gegen­über Unternehmern ist es nur im Ausnahmefall, bei einer ganz erheb­li­chen Anreizwirkung verboten.

Sofern es nur um das Anklicken eines Like-Buttons oder einem Retweet geht, spielt das Kopplungsverbot bei Gewinnspielen in sozia­len Netzwerken aber zum Beispiel keine Rolle.

Wie ver­hält es sich mit E‑Mail-Adressen, die vor zwei oder drei Jahren gewon­nen aber bis­lang noch nicht ange­schrie­ben wur­den? Darf ich diese Kontakte ohne Weiteres anschreiben?

Martin Schirmbacher: Es exis­tie­ren einige Urteile, wonach eine Einwilligung in die E‑Mail-Werbung nach (einem nicht näher bestimm­ten) Zeitraum erlö­schen soll. Diese Rechtsprechung ist mei­nes Erachtens falsch. In aller Regel lässt sich einer kla­ren Einwilligung („Ja, ich möchte Ihren Newsletter erhal­ten“) keine Befristung ent­neh­men. Noch weni­ger Spielraum für Argumentation gibt es bei der Verwendung von Kundendaten für die Werbung im Rahmen von § 7 Abs. 3 UWG. Hier liegt nicht ein­mal eine Einwilligung vor, die man im Sinne einer Befristung aus­le­gen könnte.

Weil diese Urteile nun ein­mal in der Welt sind, mag man emp­feh­len, in die Einwilligungserklärungen aus­drück­lich mit auf­zu­neh­men, dass diese bis auf Widerruf gel­ten sollen.

Gibt es aus Ihrer Sicht wei­tere typi­sche recht­li­che Stolpersteine oder grund­le­gende Missverständnisse im E‑Mail Marketing?

Martin Schirmbacher: Die wich­tigs­ten Missverständnisse haben wir bespro­chen. Oft nicht bekannt ist noch immer, dass die E‑Mail-Werbung auch im B2B-Bereich einer Einwilligung bedarf. Auch dass E‑Mail-Adressen von Bestandskunden nicht ein­fach für die Werbung ver­wen­det wer­den dür­fen ist vie­len nicht bewusst. Und schließ­lich kommt die Datenschutzkomponente oft zu kurz – das wird sich in den nächs­ten Jahren ändern (müs­sen).

Zusätzliche aktu­elle Problemfelder sind der­zeit sicher Feedback-Anfragen. Meines Erachtens ist eine ein­ma­lige Feedback-Anfrage per E‑Mail zur Kaufabwicklung zu zäh­len und bedarf daher kei­ner Einwilligung des Kunden. Das sieht die Rechtsprechung teil­weise anders, daher ist man mit einer vor­he­ri­gen Einwilligung auch in Bezug auf Feedback-Anfragen auf der siche­ren Seite.

Auch die Werbung in Transaktionsmails wird von man­chen Juristen kri­tisch beäugt. Wer des­we­gen ange­gan­gen wird, muss sich mit klu­gen Argumenten zu hel­fen wissen.

Etwas ruhi­ger gewor­den ist es um Tell-a-friend. Unter wel­chen Voraussetzungen Tell-a-friend-E-Mails recht­lich zuläs­sig ver­sen­det wer­den kön­nen, ist noch nicht höchst­ge­richt­lich ent­schie­den worden.

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen!

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