Um es gleich vorwegzunehmen: Auch iOS 15 wird nicht das E‑Mail-Marketing killen. Das mobile Betriebssystem aus Cupertino hat es aber bereits geschafft, sich einen Platz in der “Irgendwas wird das E‑Mail-Marketing killen”-Liste zu sichern. Was ist passiert? Anfang der Woche hat Apple auf der Entwicklerkonferenz WWDC eine Vorschau auf die neue iOS-Version präsentiert, die im Herbst veröffentlicht wird.
Zwei der vorgestellten Funktionen werden in der Tat das E‑Mail-Marketing beeinflussen:
Mail Privacy Protection
Diese Funktion soll in der Mail App künftig verhindern, dass E‑Mail-Marketer mithilfe unsichtbarer Zählpixel Informationen über die Empfängerinnen und Empfänger sammeln: Es soll sich nicht mehr nachvollziehen lassen, ob oder wann eine E‑Mail geöffnet wurde. Die genaue Funktionsweise ist noch unklar, offenbar werden aber künftig sämtliche Grafiken unmittelbar nach dem Versand (und nicht nach dem Öffnen der Mail) heruntergeladen.
Die Öffnungsrate wird damit (weiter) an Aussagekraft verlieren – die Kennzahl hatte allerdings auch in der Vergangenheit bereits eine eingeschränkte Aussagekraft, etwa weil bei Microsoft Outlook Grafiken (und damit auch Zählpixel) erst nach einer manuellen Aufforderung nachgeladen werden. Apple gibt darüber hinaus an, dass die IP-Adresse maskiert wird, “damit sie nicht mit anderen Onlineaktivitäten verknüpft oder zur Bestimmung ihres Standorts verwendet werden kann.”
Die “Mail Privacy Procection” ist nicht per Default aktiviert, allerdings werden die Nutzerinnen und Nutzer beim ersten Öffnen der neuen Mail-App gefragt, ob sie das Feature aktivieren wollen – der überwiegende Teil dürfte hier die Option “Protect Mail acitivity” wählen und die Funktion damit aktivieren.
Mögliche Auswirkungen auf das E‑Mail-Marketing
Die möglichen Auswirkungen der neuen Funktion hat Brian Sisolak auf Twitter beschrieben:
- Die Öffnungsrate verliert weiter an Aussagekraft (damit einhergehen Einschränkungen mit Blick auf das AB-Testing von Betreffzeilen, Segmentierungskampagnen basierend auf der Öffnungrate etc.)
- Countdown-Timer werden
möglicherweisenicht mehr reibungslos funktionieren (MovableInk: “Countdown timers are a thing of the past”, mehr dazu: What Apple Mail Privacy Protection Means for Content Personalization) - Location-based Content wird in iOS, iPadOS und Apple Mail nicht mehr funktionieren (der Aspekt ist zumindest hierzulande kaum relevant, da derartige Kampagnen selten zum Einsatz kommen)
Hide my Email
Apple integriert in iOS 15 Wegwerf-Adressen direkt in das System. Das bedeutet: Wer künftig mit Safari ein (Newsletteranmelde-) Formular ausfüllt, kann sich während der Formulareingabe eine neue E‑Mail-Adresse erstellen lassen, die an das eigentliche Postfach weitergeleitet wird. Die Funktion steht allerdings nur Abonnenten des kostenpflichtigen iCloud+-Dienstes zur Verfügung.
Mögliche Auswirkungen auf das E‑Mail-Marketing
- Nutzerinnen und Nutzer können noch einfacher unerwünschte Newsletter und Mailings blockieren – es reicht, die entsprechende E‑Mail-Adresse abzuschalten.
- Die E‑Mail-Adresse kann für diesen Personenkreis nicht mehr als eindeutiger Schlüssel verwendet werden. Beispiel: Die Newsletteranmeldung eines Kunden kann nicht mehr einem bereits bestehenden Kundenkonto zugeordnet werden, da zwei unterschiedliche Adressen verwendet werden.
- Personen, die diese Funktion nutzen, können nicht mehr über Angebote wie Facebooks Custom Audience erreicht werden – derartige Angebote sind hierzulande allerdings datenschutzrechtlich ohnehin höchst problematisch.
Und jetzt?
- Die Öffnungsrate verliert noch weiter an Aussagekraft. Die Klickrate und die nachgelagerten KPIs, wie beispielsweise der E‑Mail-induzierte Umsatz, werden an Bedeutung gewinnen. Hier gilt es zu prüfen, ob die Umsatz-bezogenen KPIs bereits sauber erfasst und analysiert werden.
- Animierte Countdown-Timer werden möglicherweise nicht mehr uneingeschränkt funktionieren, hier könnte aber mit einem Fallback für iOS-NutzerInnen gearbeitet werden.
- Wie genau wird Apple mit Zählpixeln umgehen? Wie viele Nutzerinnen und Nutzer werden tatsächlich die “Hide My Email”-Funktion nutzen? Hier ist noch vieles unklar, weshalb wir die weitere Entwicklung genau beobachten sollten.
- Nach wie vor gilt: Relevanz gewinnt. Wer wirklich relevante E‑Mails verschickt und hierfür ein eindeutiges Opt-In einholt, wird seine Kundinnen und Kunden auch über die neuen “Wegwerf”-Adressen von iOS erreichen und muss sich keine Sorgen machen, dass Empfänger die Adresse deaktivieren.