Zugegeben, die Überschrift ist etwas reißerisch, aber E‑Mail Marketer sind ja Freunde aufmerksamkeitsstarker Betreffzeilen. Und es stimmt ja: Die digitale Aufmerksamkeitsspanne von Nutzern verringert sich immer weiter (ca. 5 Sekunden pro Marketing-Angebot). Gleichzeitig wird digitale Kommunikation immer schnelllebiger, fragmentierter und “dialogischer”.
Der “klassische” Newsletter wirkt fast aus der Zeit gefallen. In festen Abständen (zum Beispiel einmal wöchentlich) versendet, präsentiert er wie ein Katalog eine Vielzahl ausgewählter Angebote. Es ist nicht so, dass das (in manchen Branchen) nicht immer noch funktioniert. Doch wirkliche Relevanz entsteht heutzutage durch persönliche Kommunikation im richtigen Moment und Kontext.
E‑Mail-Marketing ist Dialogmarketing. Es ist also an der Zeit, die dialogischen Elemente wieder stärker hervorzuheben. E‑Mail als echtes Dialogmedium ist
Kurz und granular: Anstatt umfangreiche Auszüge aus Ihrem Sortiment zu präsentieren, fokussieren Sie sich auf einzelne, besonders relevante Angebote/Botschaften. Ein Anlass → eine E‑Mail. Nutzen Sie einen zentralen Call-to-Action und optimieren Sie Ihre E‑Mail so, dass die volle Aufmerksamkeit des Nutzers auf diesen Call-to-Action gelenkt wird.
Individualisiert: Klassische Newsletter funktionieren nach dem Gießkannenprinzip. Für jeden soll irgendetwas dabei sein. Wenn Sie sich stattdessen auf einzelne Angebote fokussieren, müssen diese natürlich zum jeweils adressierten Nutzer passen. Sie sollten ihre Inhalte also so weit individualisieren, dass die Trefferwahrscheinlichkeit beim einzelnen Nutzer möglichst hoch ist. Individualisierung muss dabei nicht komplex sein. Sie brauchen (zunächst) keine 360°-Kundensicht und komplexe Recommendation-Mechanismen. Eine gute Segmentierung oder sehr einfache “Wer ein Sommerkleid gekauft hat, braucht vielleicht auch passende Schuhe”-Cross-Sell-Logiken reichen oftmals schon aus, um eine Kommunikation für einen Nutzer relevant zu machen.
Häufig: Wenn ein Angebot mal nicht passt, passt vielleicht das nächste. Probieren Sie, Ihre Versandfrequenz langsam zu steigern. Die Toleranz von Nutzern gegenüber mehrmals wöchentlich oder sogar täglich erfolgenden Versänden steigt. Wenn Sie davor zurückschrecken, dann lassen Sie Ihre Nutzer die Versandfrequenz einfach über eine Profilseite selbst bestimmen. So lassen sich auch Abmeldungen verhindern. Anstatt einen Nutzer nach Klick auf den Abmeldelink sofort aus dem Verteiler zu nehmen, bieten Sie ihm Alternativen an: eine geringere Frequenz, Mails nur noch zu bestimmten Themen, etc.
Kontextual: Relevanz entsteht dadurch, dass die richtige Botschaft den Nutzer im richtigen Moment erreicht, d.h. dass sie zu dem Kontext passt, in dem er sich gerade befindet. Kontexte können unterschiedlichster Art sein. Einige Beispiele:
Kaufabsicht: Der Nutzer möchte eine bestimmte Art von Produkt kaufen und zwar jetzt oder zumindest zeitnah. Ist der Nutzer z.B. in Ihrem Online Shop aktiv oder betritt Ihre Filiale (siehe auch Kontext Standort), ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er auch etwas kaufen möchte. Vielleicht legt er sogar schon Produkte in den Warenkorb oder merkt etwas (z.B. über einen Back-In-Stock-Alert) vor. Nutzen Sie diese Kontexte, um den Nutzer z.B. mit einem personalisierten Incentive von der Kaufabsicht zum Kauf zu bringen.
Kauf: Der Nutzer hat gerade etwas gekauft. Dies gibt ihm vermutlich ein positives Gefühl. Seine Aufmerksamkeit für Ihre Angebote ist hoch. Warum nutzen Sie diese Aufmerksamkeit nicht, um noch einmal “nachzulegen”? Bieten Sie z.B. in der Bestellbestätigung Cross- und Upsells oder schicken Sie direkt nach einem Restaurantbesuch eine Dankesmail mit einem Coupon für das nächste Mal.
Aktion: Neben Käufen gibt es zahlreiche andere Aktionen, die zu bestimmten Kontexten gehören, etwa die Registrierung für Ihre Plattform, das Verfassen eines Reviews in Ihrem Shop, das Einchecken auf einem Event, die Vereinbarung eines Termins, etc. Stellen Sie sich immer die Frage, mit was der Nutzer sich in so einem Moment beschäftigt und welche Angebote oder Informationen für ihn nützlich sein könnten.
Produktnutzung: Am einfachsten erkennen Sie den Kontext Produktnutzung, wenn Sie ein digitales oder vernetztes Produkt anbieten und z.B. feststellen können, wann sich jemand in Ihre Software einloggt oder Ihren Fitnesstracker anlegt. Nehmen Sie direkt auf diese Erfahrung Bezug. Weisen Sie den Nutzer z.B. auf neue (evtl. kostenpflichtige) Softwarefeatures hin oder fragen Sie ihn nach einer Trainingseinheit, wie es war. Auch wenn Sie die Nutzung eines Produkts nicht tracken können, lässt sich der Kontext Produktnutzung verwenden. Wenn Sie nach der Lieferung einfach ein paar Tage warten, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Nutzer das Produkt in dieser Zeit schon ausprobiert hat.
Standort: Wenn Sie, z.B. über eine App, den Standort des Nutzers tracken, können Sie so zahlreiche Nutzungskontexte identifizieren. Sie können z.B. herausfinden, ob sich der Nutzer gerade in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit befindet und dabei vermutlich gerade auf sein Smartphone schaut, d.h. aufgeschlossen für digitale Kommunikation ist. Oder Sie können erkennen, ob sich ein Nutzer gerade in der Nähe Ihrer Filiale befindet und ihn mit einem persönlichen Angebot dazu motivieren, Ihnen einen Besuch abzustatten.
Zeit: Menschen haben unterschiedliche Tagesabläufe, aber es gibt gewisse Kontexte, die sich bei den meisten Nutzern ähneln, z.B. der Ablauf von Arbeit->Mittagspause->Arbeit->Feierabend. Nutzen Sie auch diese Kontexte.
Wetter: Wenn Sie den Standort, Wohnort oder Arbeitsort des Nutzers kennen, können Sie auch herausfinden, wie das Wetter an diesem Ort ist und Ihre Kommunikation daran anpassen. “Morgen gibt es Hagel. Stellen Sie Ihr Auto besser unter.”, “Keine Lust mehr auf Regen? Last-Minute ab in die Sonne”, “Erstmals über 15°! Bereit für den Frühling?”
Authentisch: Persönlichkeit anstatt Werbung! Gestalten Sie Ihre E‑Mails wie persönliche Botschaften. Verwenden Sie nahbare, empathische, menschliche Sprache anstatt geschliffene Marketing-Botschaften. Lassen Sie Imperfektion zu. Lassen Sie E‑Mails handgeschrieben wirken. Verwenden Sie persönliche Absender und ermöglichen Sie den Nutzern, mit Ihnen zu interagieren, anstatt nur auf einen “Kaufknopf” zu drücken. Nutzen Sie, falls vorhanden, User Generated Content, etwa Reviews aus Ihrem Shop oder Social Media Posts. Binden Sie Influencer ein.
Interaktiv: Technische Weiterentwicklungen bei E‑Mail-Clients, aber auch bei E‑Mail-Marketing Technologie-Anbietern ermöglichen mittlerweile die Einbindung interaktiver Elemente in E‑Mails: Verschachtelte Menüs, mehrstufige Umfragen, Formulare, Gamification-Elemente oder sogar abgespeckte Online-Shops können ohne Medienbruch direkt in der E‑Mail benutzt werden. Nutzen Sie solche Inhalte, um die Interaktion von Nutzern zu steigern und dialogische Erlebnisse direkt in der E‑Mail zu ermöglichen.
Marketing Automation ist der Schlüssel
Persönliche Kommunikation im richtigen Moment und Kontext ist nicht nur eine kreative Aufgabe, sondern auch eine technische. Der Großteil dieser Kommunikation wird nicht mehr manuell versendet, sondern über Trigger gesteuert. Marketing Automation ist ein Muss. Wenn Sie sich noch nicht mit dem Thema befasst haben, ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür. Fangen Sie klein an, mit einfachen Use Cases, wie persönlichen Willkommensmails oder Dankesnachrichten für Käufer und steigern Sie die Komplexität sukzessive.
Die Zukunft des E‑Mail-Marketing
E‑Mails werden kurz, kontextual, authentisch, persönlich und schnell. Die in diesem Beitrag beschriebene Hypothese ist nur eine von vielen Hypothesen, die Artegic zur Zukunft des E‑Mail-Marketings aufgestellt hat. Wir befassen uns im Jahr 2022 intensiv mit zukünftigen Entwicklungen und haben zu diesem Zweck einen Zukunftshub eingerichtet, auf dem regelmäßig neue Zukunftsinhalte veröffentlicht werden.