In den vergangenen Jahren lag der Fokus im E‑Mail-Marketing auf der technischen Infrastruktur und der (mal mehr und mal weniger) kreativen Umsetzung von Mailings. Software-Systeme wurden implementiert, Schnittstellen geschaffen, Kennzahlen erhoben und Newsletterdesigns entwickelt.
Angesichts der Tatsache, dass 95% unserer Gedanken und Emotionen unbewusst stattfinden (1), verwundert es ein wenig, wieso in der Branche so viel über die Technik und so wenig über Emotionen, über (Wahrnehmungs-) Psychologie und über die Frage, wie das Nutzerverhalten beeinflusst werden kann, gesprochen wird.
Der rein rational handelnde Verbraucher ist ein Mythos – letztendlich wird auch unser Einkaufsverhalten zu einem Großteil von unserem Unterbewusstsein gesteuert. Die seit etlichen Jahren in – gefühlt – jedem zweiten Vortrag oder Fachartikel gepredigte Relevanz („E‑Mail-Marketing muss relevant sein!“), ist somit nur eine Seite (genauer: nur ein Bruchteil) der Medaille: Es reicht eben nicht (mehr) aus, lediglich die richtigen Angebote an den richtigen Empfänger zu schicken. Schließlich sollen nicht nur bestehende Bedürfnisse befriedigt, sondern Begehrlichkeiten geweckt und Impulskäufe stimuliert werden.
Wie kann also der Kunde mit Mailings emotional aktiviert werden? Wie kann das Nutzerverhalten positiv beeinflusst werden?
Bei Saphiron setzen wir Behavior Patterns ein, um den Kampagnenerfolg für unsere Kunden zu erhöhen. In der Serie „Persuasive E‑Mail-Marketing“ stelle ich Ihnen einige dieser psychologischen Beeinflussungstechniken exemplarisch vor und erläutere anhand von Beispielen Anwendungsmöglichkeiten im E‑Mail-Marketing.
Schauen wir zunächst auf das Prinzip der sozialen Bewährtheit und auf die Frage, wie Ihr den “Herdentrieb” im E‑Mail-Marketing einsetzen könnt.
Social Proof: Menschen orientieren sich an Menschen
„Wir betrachten ein Verhalten […] in dem Maß als richtig, in dem wir dieses Verhalten bei anderen beobachten.” (2)
Robert B. Cialdini
Vor einigen Wochen habe ich eine Ikea-Filiale besucht und auf dem Preisschild über einer Matratze ein schönes Beispiel für die Anwendung des Social Proof Prinzips entdeckt: „Die meistgekaufte Matratze in Köln“ stand dort zu lesen. Warum informiert mich das schwedische Möbelhaus darüber, dass diese Matratze besonders häufig in Köln gekauft wird? Weil Ikea auf das Prinzip der sozialen Bewährtheit setzt, um Kunden davon zu überzeugen, dass diese Matratze die richtige Wahl ist.
Das Prinzip besagt, dass sich Menschen an ihren Mitmenschen orientieren und dazu neigen, Verhalten nachzuahmen („soziale Bewährtheit“). Das bedeutet auch: Das Interesse an einem Angebot steigt, wenn es sich sozial bewährt hat – die langen schlangen vor einem Apple-Store bei der Markteinführung eines neuen iPhones lassen sich hier als Beispiel aufführen.
Social Proof im E‑Mail-Marketing
Wie lässt sich das Social Proof Prinzip im E‑Mail-Marketing anwenden, um den Kampagnenerfolg zu erhöhen? Ideen und Beispiele aus der Praxis.
Bestsellerlisten / beliebte Produkte
„Was soll ich zu Weihachten verschenken?“
„Ich brauche ein neues Outfit, aber was ist im Moment angesagt?“
„Welches Buch soll ich für den Urlaub kaufen?“
Menschen, die vor diesen oder ähnlichen Fragen stehen, könnt Ihr mit Bestsellerlisten und der Darstellung von beliebten Produkten („Unsere meistverschenkten Bücher“) Orientierung bieten und damit die Kaufwahrscheinlichkeit erhöhen.
Produktbewertungen
Es gibt zahlreiche Studien, in denen die positive Wirkung von Produktbewertungen in Online-Shops bestätigt wird. Während Reviews im E‑Commerce längst zum „Must Have“ zählen, werden sie im E‑Mail-Marketing bislang nicht oder nur sehr zurückhaltend eingesetzt. Dabei können Sie mit den Bewertungen auch im Posteingang Vertrauen aufbauen und Orientierung bieten.
Um das Social Proof Prinzip bestmöglich zu nutzen, können die Reviews auf das Profil des Empfängers abgestimmt werden: So kann eine Hotelbuchungsplattform etwa Bewertungen von beruflich Reisenden an seine Businesskunden schicken, während die Privatkunden analog hierzu Bewertungen von privat Reisenden erhalten. Im Ergebnis kann die Wirkung des Social Proofs Prinzips verstärkt werden: „Menschen, die so ähnlich sind wie ich, haben sich für dieses Hotel entschieden“). Ihr erinnert Euch an die meistverkaufte Matratze in Köln?
Facebook Likes
Der Facebook Like Button ist ein wirkungsvolles und leicht zu implementierendes Social Proof Instrument: Vielen anderen Menschen (oder besser noch: Euren Freunden – also Menschen, die so ähnlich sind wie ihr!) gefällt diese Website / dieses Produkt – das muss die richtige Wahl sein! Den Like Button könnt ihr aufgrund von technischen Limitierungen zwar nicht in Mailings integrieren – stattdessen könnt Ihr jedoch mit einem Screenshot arbeiten, der die Anzahl der Likes zum Versandzeitpunkt darstellt.
Wie immer gilt: Auch psychologische Beeinflussungstechniken liefern kein Patentrezept für jede Zielgruppe und jedes Geschäftsmodell. Richtig angewandt – und hierzu gehört unbedingt auch ein systematisches Testing — können sie jedoch zu einer deutlichen Verbesserung der Kennzahlen führen.
(Erstveröffentlichung am 11.02.2013, Überarbeitung am 09.06.20224)
Weiterführende Literatur
- Robert B. Cialdini: influence: The Psychology of Persuasion
- Dan Ariely: Predictably Irrational: The Hidden Forces That Shape Our Decisions
Weiterführende Links
- Wikipedia: Social Proof (englischsprachig)
- Marcel Licht: Social Proof als Hebel für mehr Konversion
Quellen
- 1 Cialdini, R. (2006): influence: The Psychology of Persuasion, New York: HarperBusiness, S. 116
- 2 Zaltmann, G. (2003): How Customers Think: Essential Insights Into the Mind of the Market, Boston, Massachusetts: Mcgraw-Hill Professional, S. 40